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Bundesrat verabschiedet Gesetz zur Justizmodernisierung

Die wichtigsten Neuregelungen im Überblick:

1. Strafverfahren

Im Strafverfahren werden die Normen überschaubarer und lesbarer und die Abläufe einfacher und effizienter, ohne dass die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens darunter leidet.

  • Das neue Recht trägt einem wichtigen Anliegen der Praxis Rechnung, indem es die Unterbrechungsregelungen für die Hauptverhandlung (§ 229 der Strafprozessordnung) reformiert. Künftig ist es möglich, eine Hauptverhandlung bis zu drei Wochen zu unterbrechen. Bisher ist dies nur bis zu zehn Tage zulässig, bei längeren Unterbrechungen muss die gesamte Verhandlung völlig von vorn beginnen. Mit der neuen Regelung kann auf unvorhergesehene Wendungen in der Hauptverhandlung besser reagiert und auf zeit- und kostenintensive so genannte Schiebetermine verzichtet werden, die nur dazu dienen, die 10-Tages-Frist einzuhalten. Erkranken Richter oder Schöffen, soll künftig der Lauf der Unterbrechungsfristen gehemmt werden. Bislang ist dies nur vorgesehen, wenn der Angeklagte erkrankt. Insgesamt dienen die neuen Fristenregelungen dazu, dass in deutlich weniger Fällen mit der Hauptverhandlung wieder völlig neu begonnen werden muss. So werden zusätzliche Belastungen für alle Prozessbeteiligten vermieden.
  • Verständlicher und weiter gefasst sind die Vorschriften über die Verlesung von Schriftstücken. Anders als bisher dürfen künftig auch solche Schriftstücke, die zum Beweis eines Vermögensschadens dienen, Erklärungen allgemein vereidigter Sachverständiger sowie Protokolle und Erklärungen von Strafverfolgungsbehörden über Ermittlungshandlungen verlesen werden.
    Beispiel: In einem Ermittlungsverfahren wegen Diebstahls und Hehlerei nimmt ein Kriminalbeamter an einer Hausdurchsuchung teil. Er fertigt ein Protokoll über die von ihm festgestellten Begebenheiten in der durchsuchten Wohnung an, etwa über die aufgefundenen Gegenstände, die Anordnung und Ausstattung der Räume. Für die Aufklärung und Beweisführung in der späteren Hauptverhandlung kommt es auch auf diese Einzelheiten an. Bisher musste der Beamte als Zeuge geladen werden. Nun kann statt dessen das von ihm gefertigte Protokoll verlesen werden. Das Gericht wird auf diese Möglichkeit zurückgreifen, wenn absehbar ist, dass der Beamte vor Gericht ohnehin nicht mehr aussagen könnte als das, was er in seinem Protokoll festgehalten hat. Dadurch kann in vielen Fällen auf die persönliche Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen verzichtet, das Verfahren – vor allem in Massensachen – gestrafft und entlastet werden. Zudem spart dies Kosten.
  • Die Vereidigungsregelungen werden inhaltlich der praktizierten Realität in den Gerichten angepasst und insgesamt neu und übersichtlicher gestaltet. Im gerichtlichen Alltag bleiben Zeugen in Strafprozessen nach ihrer Aussage regelmäßig unvereidigt. Dies wird nun auch im Gesetz nachvollzogen, das bislang vom umgekehrten Regel-Ausnahme-Prinzip ausgeht.
  • Personal effizient und bedarfsgerecht einzusetzen, ermöglicht eine weitere Neuregelung. Bislang muss bei der Hauptverhandlung vor dem Strafrichter obligatorisch ein Urkundsbeamter der Geschäftsstelle anwesend sein. Künftig kann der Richter davon absehen, wenn dies nicht erforderlich ist.
  • Das deutsche Strafverfahrensrecht geht von dem Grundsatz aus, dass der Angeklagte in der Verhandlung anwesend sein muss. In den Fällen, in denen die Hauptverhandlung nicht durchgeführt werden kann, weil der Angeklagte zum Termin nicht erscheint oder ein anderer wichtiger Grund der Durchführung der Hauptverhandlung entgegensteht, kann künftig beim Amtsgericht rasch und auf einfachem Wege eine gerichtliche Entscheidung ergehen. Hier kann der Richter künftig auch auf einen nur mündlichen Antrag des Staatsanwalts hin einen Strafbefehl erlassen. Im Strafbefehlsverfahren wird dann in einem schriftlichen Verfahren die Strafe festgesetzt. Bislang musste in solchen Fällen ein neuer Hauptverhandlungstermin festgesetzt und der Angeklagte gegebenenfalls zu diesem neuen Termin polizeilich vorgeführt werden.
  • Auch im beschleunigten Verfahren nach § 417 StPO gibt es künftig einen Übergang ins Strafbefehlsverfahren. Das beschleunigte Verfahren wird angewendet, wenn entweder der Sachverhalt einfach oder die Beweislage so klar ist, dass sofort verhandelt werden kann. Um die Akzeptanz dieses Verfahrens weiter zu erhöhen, beseitigt das neue Recht eine in der Praxis bestehende Rechtsunsicherheit. Bislang war nicht ausdrücklich geregelt, wie viel Zeit zwischen Antragseingang bei Gericht und dem Beginn der Hauptverhandlung liegen kann. Das Justizmodernisierungsgesetz sieht nun ausdrücklich vor, dass dieser Zeitraum nicht mehr als sechs Wochen betragen soll.
  • Im Strafbefehlsverfahren erhält das Amtsgericht eine vereinfachte Möglichkeit, im Beschlussverfahren die Höhe der Tagessätze einer Geldstrafe zu überprüfen und sie entweder angemessen herabzusetzen oder aufrechtzuerhalten.
  • Das Revisionsgericht kann bei einer fehlerhaften Entscheidung über die Rechtsfolgen bereits dann von einer Aufhebung des Urteils absehen, wenn die verhängte Rechtsfolge nach seiner Meinung angemessen ist, oder es kann die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

„Das Justizmodernisierungsgesetz vereinfacht gerichtliche Strafverfahren unter Wahrung der Rechtsstaatlichkeit“, fasste Zypries den Kern der Änderungen zusammen.

2. Zusätzliche Aufgabenübertragungen auf die Rechtspfleger

„Ein weiteres wesentliches Ziel des Gesetzes ist es, die strukturelle Binnenreform der Justiz voranzutreiben. Wir schaffen die Voraussetzungen für weitere Flexibilisierungen der traditionell gewachsenen, häufig sehr personalintensiven Arbeitsabläufe innerhalb der Gerichte“, betonte Bundesjustizministerin Zypries. Mit dem im Juni 2002 in Kraft getretenen Gesetz zur Übertragung von Rechtspflegeraufgaben auf den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle ist bereits eine Möglichkeit zur Abschichtung von Aufgaben geschaffen worden. Das Justizmo-dernisierungsgesetz ordnet nun die Aufgabenverteilung zwischen Richtern und Staatsanwälten auf der einen und Rechtspflegern auf der anderen Seite in einigen Bereichen neu. Ziel ist es, auch hier funktionsgerechtere Bearbeitungszusammenhänge herzustellen und zu fördern, indem die Abwicklung des gesamten Verfahrens möglichst in einer Hand vereinigt und zeitaufwendige Wechsel der Zuständigkeit zwischen Richtern, Staatsanwälten und Rechtspflegern beseitigt werden. So werden die Geschäfte effizienter abgewickelt und die personellen Ressourcen ökonomischer eingesetzt.

Die Länder erhalten die Möglichkeit, weitere bisher den Richtern vorbehaltene Aufgaben auf die Rechtspfleger zu übertragen. Dies betrifft insbesondere die Führung des Handelsregisters und Aufgaben der Nachlassgerichte. Bereiche, in denen schon heute weitgehend Rechtspfleger tätig sind. Die Rechtspfleger können künftig sämtliche Eintragungen in das Handelsregister vornehmen, das heißt nicht nur – wie bisher – für Personen-, sondern auch für Kapitalgesellschaften wie GmbHs oder Aktiengesellschaften. Weiter können sie Erbscheine auch auf Grund eines Testamentes oder Erbvertrages erteilen. Bisher durften die Rechtspfleger zwar alle Anträge auf Erteilung eines Erbscheins aufnehmen, für die Erteilung des Erbscheins selbst waren sie dagegen nur bei gesetzlicher Erbfolge zuständig, bei testamentarisch bestimmter Erbfolge fiel diese Aufgabe den Richtern zu.

Dem gewachsenen Wissens- und Erfahrungsstand der Rechtspfleger bei der Vollstreckung von Straf- und Bußgeldsachen trägt das neue Recht ebenfalls durch weitere Aufgabenübertragungen Rechnung. Rechtspfleger sind künftig auch für Entscheidungen über den Aufschub oder die Unterbrechung einer Freiheitsstrafe bei Krankheit des Verurteilten oder über die Anrechnung eines Krankenhausaufenthaltes auf die Strafzeit zuständig und müssen für diese Einzelentscheidungen das Verfahren nicht mehr an den Staatsanwalt abgeben.



Quelle/Autor: Pressemitteilung des Bundesministerium der Justiz  

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